Guten Abend,
noch ein Nachtrag zu deiner Truhe, die ich wirklich nett finde. Schön, dass dich diese historischen Aspekte interessieren, dass ist doch eher selten hier bei Anfragen. Und weil's noch so viele alte Truhen gibt (und auch häufig hier Anfragen zu Truhen kommen), lassen die Sammler häufig kalt. Dabei ist das eigentlich das absolute Basis-Möbel, jahrhundertelang, an dem man daher schon viel sehen kann. Meine ich. Wir hatten hier mal einen Truhen-Kenner, der leider nicht mehr aktiv ist.
@Schmidtchen hat natürlich recht, dass eine Begutachtung in natura hier nicht zu ersetzen ist. Trotzdem:
NiSch hat geschrieben: ↑Mittwoch 14. Mai 2025, 08:38
Bierlasur haben. Wahrscheinlich war die also ursprünglich mal überall drauf, was die These von der nachträglichen Frontbearbeitung bestätigen könnte.
Für meinen Teil - ich glaube das nicht. Eher, dass die Bierlasur nachträglich (irgendwann nach dem Bau) auf den Flächen aufgebracht wurde, um dort eine unerwünschte Farbveränderung auszugleichen oder generell zu harmonisieren. Evtl. hat die Verfärbung an der Seite ältere Ursprünge, war schon vor der Lasur da und sollte dadurch überdeckt werden - was nicht oder nur zeitweilig funktioniert hat? Dass die Front nachträglich beschnitzt wurde, ist für mich nicht so plausibel. Möglich, dass auch auf die Front Lasur aufgebracht, aber später dort wieder entfernt wurde - an den Seiten usw. aber belassen wurde, aber ich denke, das ist auch nicht so wahrscheinlich (aber du könntest nach Spuren davon in Vertiefungen u Ritzen suchen..?).
Für mich passen die Schnitzarbeiten schon zur Erscheinung insgesamt. Da sind ja z.B. nicht nur die ungewöhnlichen Rillen, sondern der konkav-konvex-konkave Schwung der Deckelrundung, jeweils zum Rand hin: ungewöhnlich, ich habe kein weiteres Beispiel gefunden. Aber das passt doch eben ebenfalls gut zur avisierten Epoche im späten 18. Jahrhundert.
Wenn ich die Truhe testweise jetzt wieder in den Historismus vorstelle, klappt das m.E.n. nicht so gut.... das ist vielleicht naiv, aber ich meine, da hätte man 1.-- sowieso nicht auf Louis-Seize zurückgegriffen, sondern (gerade bei Truhen) eher auf Renaissance-Formen. 2.-- eher so etwas über-typisiertes, aufgeplustertes mit mehr Dekor bevorzugt, als so ein Blümchen in der Raute. Auch eine strengere Symmetrie, nicht so Abweichungen wie z. B. in den Rändern der Felder in der Front, dass oben in den Ecken Blüten sind, unten aber nicht.
3.-- das Flache und eher Dezente des Schnitzwerks generell eher zu früher passt, gerade auch diese Zierlewiste (schmaler Akanthus-Stab?), das wäre auch üppiger. Und, ich meine, dass man gerade dort sichtbar ist, dass es handgeschnitzt ist, weil es doch deutliche Unterschiede in den Segmenten gibt.
Weiteres: Meiner bescheidenen Mein ung nach sehen die oberen Nägel der Scharniere schon alt aus..? Interessant auch die Unterseite: Dass hinten eine Zierleiste war, kann natürlich sein, wäre aber eher untypisch. Eine Biedermeier-Show-Truhe in der Verwandtschaft ist vorn und oben furniert, die Seiten und Rückseite nicht.. Der Boden bei dir zeigt ja diese Spuren, wo ich mir nicht sicher bin, wovon die stammen. Wenn Handgattersäge, warum nicht auf er ganzen Fläche? Oder ist das Schrupp-Hobel? Manuell sieht es für mich jedenfalls aus .. aber das wäre auch was für in natura...
Jedenfalls viel Freude mit dem besonderen Teil!
Ach ja: ich würde persönlich eher zurückhaltend verfahren. Wenn z.B. die Füße zu stark zerfressen sind, könntest du mit Glutinleim stabilisieren, wie u.a. hier bei Herrn Greef erklärt:
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Dort auch vieles weitere Interessante, z.B. zur vergleichbaren Frage: vor 1800 oder 1850? bei Schränken:
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viele Grüße, thal